Thomas Middelhoff in Leonberg
Thomas Middelhoff in Leonberg
Im Knast hat er gelernt, was wichtig ist
Von Regine Brinkmann, Leonberger Kreiszeitung, 02.05.2018
Der Ex-Karstadtmanager Thomas Middelhoff erzählt im Seehaus offen über seine Zeit im Gefängnis. Foto: factum/Bach
Leonberg – Es ist warm im Nebenraum des Glemseck-Restaurants in Leonberg. Thomas Middelhoff steht entspannt in weißer Hose und weißem Hemd vor dem Publikum und fragt eloquent: „Wer von euch war schon einmal im Gefängnis?“ Ein Raunen geht durch den Saal, etliche Hände gehen nach oben. Middelhoff grinst und hebt ebenfalls den Arm. „Die gleiche Frage habe ich kürzlich an der Uni Freiburg und in Innsbruck gestellt, da hat niemand außer mir den Arm gestreckt.“
Das ist bei der Veranstaltung des Leonberger Seehauses eindeutig anders. Hier wissen etliche Zuhörer Bescheid darüber, wie es ist, hinter Gittern zu leben. Sie sind gespannt, was das ehemalige Wunderkind der Managergilde, das schon mit 49 Jahren an der Spitze des Bertelsmann-Konzerns stand, zu erzählen hat.
Drei Jahre in Haft
Middelhoff ist 2014 zu einer dreijährigen Haftstrafe wegen Untreue verurteilt worden, zwei Drittel davon hat er in der Vollzugsanstalt Bielefeld-Senne im offenen Vollzug verbracht. Die restliche Strafe ist zur Bewährung ausgesetzt. „Ich schäme mich nicht dafür, im Gefängnis gewesen zu sein“, sagt er „Aber ich schäme mich für die Fehler, die ich gemacht habe.“
Schon während seines Studiums der Wirtschaftswissenschaften strebte er eine Karriere als Manager an, und es lief für den heutigen Mittsechziger auch alles glatt. „Meine Karriere bei Bertelsmann verlief linear nach oben, bis hinauf zur Konzernspitze. Ich fand das damals auch richtig so“, erzählt Middelhoff. Deshalb sei es für ihn auch völlig richtig gewesen, die verhängnisvolle Entscheidung, die zu seiner Verurteilung geführt habe, allein zu treffen. Ohne seine Vorstandskollegen mit ins Boot zu holen.
„Das war reine Eitelkeit“, gibt er heute zu. Es ging um die Bezahlung einer Festschrift, die er als Chef des damals schon angeschlagenen Arcandor-Konzerns veranlasst hatte. Am Morgen der Urteilsverkündung, erzählt er, war er sicher, frei zu kommen. Völlig ahnungslos sei er gewesen. „Und dann kam die Zäsur, die mein Leben auf den Kopf gestellt hat.“ Thomas Middelhoff hat sein Leben nach dem Urteil völlig neu geordnet. „Ich bin konservativ-katholisch erzogen worden“, erzählt er, „aber ich habe den Glauben während meiner beruflichen Entwicklung Stück für Stück verloren.“ In der Haft hat er wieder zum Glauben gefunden. „Ich bin überzeugt, dass ich das nicht überlebt hätte, wenn ich nicht den Weg zu Gott zurückgefunden hätte.“
„Ich habe gelernt, was wichtig ist im Leben“
Heute, so der ehemalige Topmanager, sei er in gewisser Weise fast froh über die Chance eines tatsächlichen Neuanfangs. „Ich habe alles verloren. Wirtschaftliche Sicherheit, meine Reputation, meine Familie.“ Middelhoff ist inzwischen geschieden. „Aber ich habe gelernt, was wichtig ist im Leben. Auch, wenn das eine harte Lehre war.“ Er hat sich nicht unterkriegen lassen, die narzisstischen Tendenzen, die ihm zu seinem traumhaften Aufstieg verholfen haben, helfen ihm jetzt, den tiefen Sturz zu verarbeiten. Selbstbewusst erzählt er aus seinem Leben und der selbst gestellten Aufgabe, die Reformen im deutschen Strafvollzug voranzutreiben.